Verantwortlichkeit von Kindern für Schäden im Straßenverkehr

Urteil des OLG Celle vom 19.02.2020

Aktenzeichen: 14 U 69/19

 

„Eltern haften für ihre Kinder“ - ein Satz, der regelmäßig an jedem Baustellen-Zaun zu lesen, doch in seiner pauschalen Ausdrucksweise nicht ganz korrekt ist. 

 

Ob Eltern für ihre Kinder haften, bestimmt sich vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften und somit primär danach, ob sie die ihnen obliegende Aufsichtspflicht im Einzelfall verletzt haben. Diese sieht nämlich nicht vor, dass Eltern ihre Kinder rund um die Uhr zu überwachen haben. Vielmehr können Warnungen vor gewissen Gefahrensituationen ausreichen, damit Eltern ihrer Aufsichtspflicht gerecht werden. 

 

Ob Kinder selbst (ggf. neben ihren Eltern) für unerlaubte Handlungen (= für deliktische Verhaltensweisen), die bei einem anderen zu einem Schaden führen, haften, hängt vom Alter und der sogenannten Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Minderjährigen ab.

So ist eine Haftung von Kindern unter sieben Jahren ausgeschlossen. Dies gilt grundsätzlich auch für Kinder im Alter bis zu 10 Jahren, wenn der Schaden bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug eintritt. 

Für Minderjährige ab sieben bis einschließlich 17 Jahren kommt eine Haftung nur in Betracht, sofern sie die oben beschriebene, zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzen. Hier ist eine Einzelfallbetrachtung geboten.

 

Das OLG Celle bejahte die Haftung eines achtjährigen Kindes, das mit seinem Fahrrad auf einer Uferpromenade auf eine Fußgängerin zusteuerte, während es über einen längeren Zeitraum nach hinten zu seinen hinter ihm spazierenden Eltern schaute. Es kam zu einer Kollision mit einer Fußgängerin, welche stürzte und sich verletzte. 

Das Gericht befand, dass das Kind, welches bereits seit seinem fünften Lebensjahr regelmäßig mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnimmt, hätte erkennen müssen, dass es während der Fahrt den Blick nach vorne zu richten hat, um Fußgängern und anderen Hindernissen auszuweichen zu können. 

 

Eine Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Eltern lehnte das OLG im konkreten Fall hingegen ab. Sie befanden sich in Ruf- und Sichtweite zum Kind und hatten durch eine entsprechende Warnung noch versucht, ihr Kind auf die Fußgängerin aufmerksam zu machen.